Facundo Cabrera geht den Dingen auf den Grund: Seine Fotos sind eine Reise voller Überraschungen in Welten, die dem Auge ansonsten verborgen bleiben. Über die Kunst, das Unsichtbare sichtbar zu machen, haben wir mit dem „Micro-Man“ jetzt schon zum zweiten Mal gesprochen. Denn der 2016 erschienene Atlas Digital de Semillas mit Fotos von kanarischen Pflanzensamen wird nun mit Aufnahmen aus ganz Makronesien und Afrika erweitert.
Facundo Cabrera enthüllt ganz neue Welten:
Der Mann mit Faible fürs Klitzekleine
Der Salon von Facundo Cabrera in seinem Haus in Breña Alta ist äußerst spartanisch eingerichtet: Nur ein Sofa und ein Tisch bilden den wohnlichen Bereich, es gibt noch nicht mal einen Fernseher. Dominiert wird das Zimmer von einer gigantischen Apparatur: Caja de Luz - Lichtkasten - nennt sie der begeisterte Hobbyfotograf:Ich bin ein aktiver Mensch und will meine Zeit nicht vorm Fernseher verschwenden. Wenn ich nach meiner Arbeit als technischer Agraringenieur nach Hause komme, widme ich mich ganz meinem Hobby, der Fotografie. Wenn das Wetter schön ist, mache ich mich auf den Weg in alle Himmelsrichtungen der Insel, um schöne Motive von La Palma zu suchen. Einen Großteil meiner Arbeit wende ich jedoch für die Aufnahmen im Mikrobereich auf, denn vor allem die Lichtaussteuerung braucht sehr viel Zeit. Denn ohne Licht gibt es keine Fotografie! Der 62jährige ist Autodidakt und hat erst vor knapp acht Jahren begonnen, mit der Kamera zu arbeiten. Anfangs lichtete er Landschaften, Sonnenuntergänge und Tiere ab, aber dann rückte er seinen Fokus immer mehr auf die Details von Flora und Fauna. Schließlich gipfelte die Leidenschaft fürs Klitzekleine im Atlas Digital de Semillas de Canarias. Facundo Cabrera berichtet, wie die Idee für diese 2016 erstmals im Internet eingestellte Bilderdatenbank für Pflanzensamen entstand, die für jedermann kostenlos nutzbar ist:Ein Freund von mir, Jaime Gil, ist Botaniker, und ein anderer Freund, Daniel Martín, ist Internet-Experte – und ich fotografiere. So beschlossen wir irgendwann, die einzigartigen Samen der Pflanzenwelt von den Kanaren, Madeira und den Azoren digital zu erfassen und ins Internet zu stellen. Das Cabildo von La Palma hat uns dabei unterstützt, denn auch das inseleigene Centro de Agrodiversidad will die einzigartige Flora der Kanaren aufzeigen und schützen. So gingen 2016 die ersten 100 Beschreibungen online - 2018 haben wir mit dem zweiten Teil unseres Online-Katalogs begonnen. Im ersten Teil beschränken sich die Abbildungen und Beschreibungen auf Pflanzensamen von den Kanaren. Jetzt sind Facundo und seine Freunde dabei, den Katalog durch Samen aus Madeira, den Azoren, Marokko und der Sahara zu erweitern - voraussichtlich im Februar 2019 wird der zweite Teil offiziell vom Cabildo vorgestellt. Jedes der Blätter zeigt hochwertige Mikroaufnahmen sowie ein Foto samt Beschreibung der Pflanze auf spanisch und englisch – eine ähnliche Datenbank gibt es übrigens nur noch einmal in Europa, erstellt von der Universität Groningen in Holland, erzählt Facundo:Die Wissenschaftler von der Uni Groningen haben einen ähnlichen Katalog wie unseren veröffentlicht. Aber die Fotos sind viel schlechter, denn sie haben keine Caja de Luz. Auch die Universität im US-Bundesstaat Arizona hat sich den Pflanzensamen aus der Wüste in Form eines Posters angenommen. Doch die Qualität der Bilder kann man mit meinen nicht vergleichen, denn sie wurden mit einem Elektronenmikroskop aufgenommen. Sie haben zwar eine hohe Detailqualität und Tiefe, aber sie sind immer schwarz-weiß, und man kann sie nur von Hand nachkolorieren. Facundos Aufnahmen der klitzekleinen Kerlchen dagegen waren schon im ersten Katalog von allererster Güte - und für den zweiten Teil hat er seine Caja de Luz noch verbessert: Jetzt kann er die Hintergrundfarben ändern und Verläufe schaffen - das erhöht den Kontrast, und die wundersamen Formen und Farben der Pflanzensamen kommen noch besser zur Geltung. Freilich nimmt nicht nur die inzwischen vier Jahre andauernde Tüftlei an dieser Apparatur einen großen Teil der Freizeit von Facundo in Anspruch, auch das Fotografieren selbst erfordert einen immensen Aufwand. Der Micro-Man berichtet:Pro Blatt musste ich drei Aufnahmen der Samen von verschiedenen Seiten abliefern. Dazu sind jeweils vier bis fünf Stunden Arbeit nötig, denn man kann und darf die millimetergroßen Semillas ja nicht mit der Hand anfassen. Um sie in die korrekte Position zu bringen, muss man die Vorrichtungen der Appartur betätigen, alles geht automatisch. Ich musste sehr vorsichtig sein, schließlich sind einige der Samen einzigartig und jahrhundertealt. Naturkundemuseen von den Kanaren, aber auch aus Deutschland, Österreich und Italien haben sie aus getrockneten Pflanzen in ihren Archiven entnommen und uns zur Verfügung gestellt.15.000 Euro hat Facundo inzwischen schon in seine Lichtkiste investiert - allein die Kamera und das Objektiv verschlangen ein paar Tausender. Und ein Ende ist nicht absehbar. Aber Facundo schmunzelt nur und sagt:Ich kann immer noch etwas verbessern, obwohl das von Mal zu Mal schwieriger wird, weil das Niveau schon so hoch ist. Aber immer wieder habe ich ganz spontan eine Idee, dann überlege ich, wie ich sie technisch umsetzen kann. Dabei verwende ich auch gebrauchte Teile zum Beispiel aus alten Radios. Deshalb ist meine Caja de Luz auch sehr individuell (lacht). Außerdem experimentiere ich mit der Caja de Luz zum Beispiel mit Wassertropfen und Hintergründen, wobei tolle Effekte entstehen. Und natürlich benutze ich sie, um Piroclastos zu fotografieren. Wenn Facundo von Piroclastos spricht, meint er kleine Lavastücke. Von den Teilchen der Feuerspucker auf La Palma hat er natürlich eine ganze Sammlung, aber auch vom 2011 im Meer vor El Hierro ausgebrochenen Vulkan besitzt er Proben. Und wenn er seine Caja de Luz-Kamera auf nur einen kleinen Winkel der Lavapartikel richtet, werden Miniaturwelten sichtbar, die an Science Fiction-Filmkulissen erinnern. Selbst versierte Wissenschaftler sind vom Blick in den Mikrokosmos der einstigen pyroklastischen Ströme tief beeindruckt, weiß Facundo:Bei meinen Ausstellungen traf ich die renommierten Vulkanologen und Geologen Juan Carlos Carracedo und Robert Tilling. Sie sagten, sie hätten solche Fotos noch nie gesehen. Denn meine Bilder sind farbig mit 3-D-Effekt, und die Aufnahmen der Rasterelektronenmikroskope an den Universitäten sind eindimensional und schwarz-weiß. Wenn man bedenkt, dass so ein Elektronenmikroskop circa eine halbe Million Euro kostet, ist meine 15.000 Euro teure Caja de Luz ja fast geschenkt (lacht). Aber die Wissenschaftler sind ja mit anderem beschäftigt, sie teilen meine Leidenschaft fürs Fotografieren nicht.Immer wieder neue Bilder von Facundo Cabrera sind auf seiner Facebook-Seite zu sehen.Pflanzensamen: die schüchternen Schönheiten der Natur
Wir zeigen hier ein paar der neuen Fotos von Facundo Cabrera für den zweiten Teil des Atlas de Semilla, der voraussichtlich im Februar 2019 online geht, im Großformat und bitten, das Copyright zu beachten!Wer diese Aufnahmen von Facundo Cabrera sieht, dem wird klar, warum der Micro-Man seinem Hobby mit Leib und Seele verfallen ist: "Jedesmal erlebe ich beim Fotografieren der Semillas eine sagenhafte Überraschung!" Zum Atlas de Semillas hier klicken. |
Von La Palma 24
Den “Atlas de semillas” kannte ich bereits durch Facebook, aber auf der Website ist wenig Information über den Werdegang und den Menschen dahinter. Ihr super interessanter Artikel hat diese Lücke mehr als gefüllt. Vielen herzlichen Dank!