Nun ist es erst einmal vorbei mit Urlaub. Haus gebaut mit viel Eigenleistung. Die Familie wird größer. Wir sind zu viert. Das Virus im Bauch kribbelt immer noch. Also, fleißig zur Volkshochschule, Spanisch weiterlernen. Elf Jahre später, das Kribbeln wird so stark, dass wir uns entscheiden, Weihnachten 1991 auf La Palma zu verbringen.
Unsere beiden Jungs sind einverstanden. Dann die Ernüchterung. In den Katalogen keine Unterkunft mit zwei Schlafzimmern. Was tun?
Ich erinnere mich an die Begegnung mit dem Vizepräsidenten des Club Náutico. Eine Bekannte hat noch zwei Telefonnummern. Der erste Anruf auf La Palma geht ins Leere.
Der Falsche meldet sich. Die Nummer ist inzwischen anderweitig vergeben. Zweiter Versuch mit zweiter Nummer. Keiner nimmt ab. Ich versuche es immer wieder. Dann eines Abends gegen 22:30 Uhr palmerischer Zeit habe ich Erfolg.
Ich entschuldige mich für den späten Anruf. „Macht nichts“, klingt es aus dem Hörer, „Bin gerade nachhause gekommen.“ Ich stelle mich vorsichtshalber vor. Stille. Dann frage ich ihn, ob er sich noch an mich erinnert, 1980, Club Nautico. „Claro! El señor con las sandálias. Willst Du wieder mal nach La Palma kommen?“ Ich erkläre ihm die Situation. Natürlich gibt es hier auf La Palma Apartments mit zwei Schlafzimmern erklärt er mir und dass er sich darum kümmern werde.
Einige Wochen später liegt ein Brief von La Palma in der Post. Wenn wir wollen, können wir im Costa Salinas in Cancajos unterkommen. Wir sollen uns melden, er holt uns am Flughafen ab.
Alles geht gut. Wir stehen am Gepäckband in dem kleinen schnuckeligen Terminal. Plötzlich kommt jemand falsch herum durch die Sicherheitskontrolle. Ich werde sofort von ihm erkannt.
Kurze Begrüßung, er wartet draußen. Die Koffer in den Geländewagen und ab geht es zum Hotel. Er wünscht noch einen schönen Urlaub und rauscht von dannen. Unser La Palma hat uns wieder. Erika und ich sind glücklich.
Nun beginnt die Suche nach alten Bekannten. Ich versuche etwas über den Verbleib von Pedro, dem Kellner aus dem San Miguel zu erfahren. Sehr oft Schulterzucken, oder der Hinweis, frag’ mal den oder den.
Dann höre ich, Pedro soll in Fuencaliente wohnen. Also mit der ganzen Familie nichts wie hin zu dem Haus. Ein Kind schaut aus dem Fenster. „Meine Eltern sind nicht da.“ Ich soll ein paar Stunden später wiederkommen.
Eine Frau um die Fünfzig öffnet. Ich stelle meine Fragen erneut nach Pedro, dem Kellner aus dem San Miguel. Sie zeigt mir ein Foto von ihrem Mann. Zu alt, kann nicht sein. Pedro ist dreißig. Dann stellt sich heraus, Vorname und erster Nachname sind gleich, aber der zweite Nachname ist ein anderer. Aber beide arbeiteten 1980 im Speisesaal des Hotels. Sie kann mir etwas weiterhelfen.
Er soll in Bajamar vor Santa Cruz wohnen. Mit dem Leihwagen tasten wir uns an den Kasernen vorbei durch die Siedlung. Es ist nach 20 Uhr.
Plötzlich entdecke ich einen Palmero und frage ihn nach Pedro, der hier irgendwo wohnen soll. „Du musst umdrehen und die Hauptstraße in Richtung Sta. Cruz fahren. Das Haus steht in der Nähe der Tankstelle“.
Gesagt, getan. Der nette Palmero steht schon am Straßenrand als wir heranrollen. „Da drüben, andere Straßenseite, rechtes Haus“. Vor dem Haus knirscht leise der Lavasplitt. Die Tür steht offen.
Eine junge Frau schaut mich an und erschrickt. Ich bin sicher, hier bin ich richtig. Das Gesicht, wie Pedro. Eine kurze Erklärung wer ich bin und schon höre ich: „Si, si, tu eres el amigo aleman“ (Du bist der deutsche Freund) „Pedro hat schon viel von dir erzählt“. Ich versuche mich zu verabschieden, um an einem der nächsten Tage wiederzukommen, da meine Familie noch im Auto sitzt und auf mich wartet. Zu spät! In der Zwischenzeit flitzt ein Familienmitglied über die Straße und holt meine Familie zum Haus. So schnell kommen wir da nicht wieder weg. Wir treffen ihn noch heute, Pedro und auch Julia, seine Schwester.
Auch Servando suchen wir. Nach einigem Hin und Her werden wir fündig. Auch hier ist die Wiedersehensfreude groß. Prompt gibt es eine Einladung zu Silvester. Wir nehmen an.
So kommen wir nach exzellentem Schmaus in Kontakt mit dem Silvesterbrauch. Zwölf Weintrauben, zu jedem Glockenschlag eine in den Mund und schnell hinunter in den Magen, damit das kommende Jahr gut wird.
Einige Tage später sind wir mit Servando, seiner Frau, seinen Kindern und seinem Bruder im Restaurant Los Braseros und können uns revanchieren.
Der Bruder kommt mit seinem Streifenwagen dazu, legt die Dienstkrawatte ab und meint, nun könne er einen Vino tinto zu sich nehmen, da er ohne Krawatte außer Dienst sei.
Auf dem Weg nach Los Brecitos. Man soll zwar den Asphalt mit dem Leihwagen nicht verlassen, aber mit vorsichtiger Fahrweise erreichen wir über Schotter- und Lehmpiste den Aussichtspunkt.
Auf der Rückfahrt, talabwärts, sammelt ein Mann Kiefernnadeln in einen Sack. Anhalten und fragen, ob ich ihn filmen darf.
Er winkt ab, erklärt aber, der Sack mit den Kiefernadeln sei ein weiches Nachtlager für seinen Hund in seiner nahegelegenen Finca. „Komm mal mit, ist nicht weit“.
Wir steigen in seinen etwas betagten Landrover und verschwinden. Die Familie allein im Auto. Die Dämmerung zieht auf. In der Finca darf ich dann filmen, auch ihn. Als Abschiedsgeschenk bekomme ich eine Ananas und Orangen mit auf den Weg. Langsam wird es dunkel. Wir müssen das Fahrlicht einschalten und haben noch etwa fünf Kilometer heraus aus der Caldera. Unsere beiden Jungs freuen sich riesig über so ein tolles Abenteuer.
Die nächsten Jahre verlaufen kontinuierlich. Immer wieder La Palma. Inzwischen schon zwanzig Mal.
Als ich bei einem der Urlaube Pedro erzähle, dass ich von einigen Palmeros „Mediopalmero“ genannt werde, meint er grinsend: „Claro, un corazon palmero y una cabeza cuadrada alemana!“ (Klar, ein palmerisches Herz und ein deutscher Dickschädel.“) Wir biegen uns vor lauter Lachen.
Das führt schon mal zu folgender Situation. Ich lade ihn zu einem Getränk ein, er will alles bezahlen. Meine Antwort: „Vergiss nicht, ich habe ein palmerisches Herz aber auch einen harten, deutschen Dickschädel.“ Seine Antwort: „Bueno, gewonnen“. Und wieder gibt es Grund zu lachen. Wenn Erika und ich in Deutschland zusammen in den Flieger steigen, in Richtung La Palma, sage ich oft zu meiner Liebsten: „Du fliegst nun in den Urlaub und ich nach Hause.“
Und wenn der Leser will, es gibt noch mehr Geschichten, wie die von Ramon und Vina, die Keramikexperten aus Mazo, mit denen wir seit über 40 Jahren befreundet sind. Oder die Begegnung mit einem Purero, dem Hirtensprung, die Erlebnisse auf der Busfahrt (Guagua) nach Garafia im Jahr 1980 usw. Gegen das Corona-Virus sind wir geimpft, gegen das La Palma-Virus nicht. Dieses darf bleiben!
Gastbeitrag von Helmut Schilling
Am 12.05.21 wurde der zweite Teil der Geschichte „La Palma Virus -nicht gefährlich, aber hartnäckig„ veröffentlicht. Hierzu möchten wir Sie auf seinen Super 8-Film aus dem Jahr 1980 aufmerksam machen, welcher bei seiner Excursión in der Caldera gedreht wurde.
Über seinen Aufenthalt im Jahr 1991 gibt es selbstverständlich auch einen Film über La Palma.
klasse, klasse, klasse, mehr davon! mich haben die Großeltern mit dem Virus infiziert… seit dem jedes Jahr einmal La Palma. Nur Corona konnte uns dieses Jahr leider abhalten.
Auch wir sind La Palma infiziert. Seit 25 Jahren kommen wir mindestens 1x pro Jahr. Nur 2020 hat es nicht geklappt. Aber bald wird der nächste Flug gebucht.
Was für ein schöner Beitrag! Man spürt die Liebe zur Insel und den Menschen in jeder Silbe. Ich finde es klasse, wie unbeschwert Ihr auf die Leute zugegangen seid.
Wir wurden bei unserem ersten Besuch auf La Palma Mitte der 1990er ebenfalls infiziert
Auch ich bin infiziert und hoffe,
dass ich diesen Virus im Winter richtig ausleben kann. Meine Hoffnung steigt mit dem obigen Beitrag
Schöner Breitrag! Klasse mit Herz und Seele bei der Insel ubd ihren liebenswürdigen Menschen
Mehr davon könnte der Webseite nicht schaden!
LG Micha
Liebe Familie Schilling,
ich bin total begeistert von den tollen Beiträgen.
Gibt es die Möglichkeit mit Ihnen Kontakt aufzunehmen?
Ich habe so viele Fragen.
Beste Grüße Sille