Sylvia Catharina Hess arbeitet in Nierstein und auf La Palma - dabei entstehen
Poetische Bilder - manchmal auch mit Biss
Sylvia Catharina Hess schreibt Erzählungen, Kurzgeschichten und Gedichte, die oftmals von sagenhaften Begebenheiten handeln. Auch ihre Bilder, Skulpturen und Installationen wirken poetisch, hie und da sogar märchenhaft, sind aber nicht ohne kritischen Biss. Die Autorin und Malerin lebt rund die Hälfte des Jahres in La Punta auf der Kanareninsel La Palma, und ab und zu stellt sie ihre Werke auch auf der Isla Bonita aus. Anfang 2018 waren ihre neuesten Bilder zum Thema "Aufgetischt" in der Galerie Avenida 17 in Tazacorte zu sehen - wir haben mal vorbeigeschaut.
Anfang 2016 stellte Sylvia Catharina Hess ihre Werke erstmals auf La Palma aus: Damals waren in der Avenida 17 Gemälde aus ihrem Projekt Mein kanarisches Liederbuch zu sehen, bei dem die Künstlerin ins Bild bannte, dass auf der Isla Bonita überall Musik drin ist. Nach dem Zyklus über Fiestas, musizierende Menschen und Liedgut von den Inseln präsentiert Sylvia nun in Tazacorte Auszüge aus ihrer neuesten Serie Aufgetischt und erklärt, was es damit auf sich hat:Auftischen heißt ja, jemandem was zu essen oder zu trinken hinstellen, aber man kann auch wahre oder unwahre Geschichten auftischen. Also male ich derzeit Geschichten, die ich mit bestimmten Nahrungs- oder Genussmitteln assoziiere.So finden sich im Aufgetischt-Zyklus Bilder, die Sylvia dem uralten Adam-und-Eva-Thema mit Äpfeln aller Art widmet und dabei verschiedene Stadien von Beziehungen abbildet - mal leidenschaftlich, mal zart. Aber auch Spargel, Kirschen, Kürbisse, Fische oder Wein spielen eine Rolle in ihren aktuellen Werken:Es gibt immer wieder neue Zyklen, in denen ich mich einem Thema stelle und es abarbeite, bis ich wirklich ausgequetscht bin - "Aufgetischt" wird noch eine Weile weitergehen. Angefangen habe ich einst mit Landschaftsmalerei, dann folgte eine abstrakte Phase, und seit 2010 habe ich mich der figürlichen Malerei verschrieben. Landschaften mache ich sozusagen nur noch zwischendurch zur Erholung, weil es so schön ist (lacht). Aber prinzipiell steht der Mensch im Mittelpunkt meiner künstlerischen Auseinandersetzung. Apropos Mensch: Ein Blick ins Privatleben der Künstlerin zeigt, dass Sylvia mit dem bekannten Schriftsteller Harald Braem den Bund fürs Leben geschlossen hat. Doch sie ist nicht etwa das "Frauchen" eines erfolgreichen Mannes, das aus Langeweile zum Malkasten greift. Ganz im Gegenteil: Die studierte Germanistin und Politikwissenschaftlerin unterrichtete rund 30 Jahre lang Deutsch und Sozialkunde und arbeitete als Methodentrainerin für Lehrer. 2007 begann die heute 65jährige nach schwerer Krankheit und Frühpensionierung, sich intensiv mit der Malerei auseinanderzusetzen. Denn bis dahin hatte Sylvia den schönen Künsten nur als Hobby gefrönt:Ich dachte mir, das mit dem Malen, das kommt gut – und dann wollte ich es auch richtig lernen. Also habe ich bei einem Künstler in Kaiserslautern einen Privatkurs gemacht, und begann dann mit Seminaren an der Kunstakademie in Bad Reichenhall, wo ich auch ein modulares Intensivstudium bei Ingrid Jureit absolvierte. Die Seminare an der Kunstakademie dauerten immer ein bis zwei Wochen, und da wird man richtig rangenommen. Ingrid Jureit hielt ihre Studenten dazu an, künstlerische Konzepte zu erarbeiten – das hat mich sehr geprägt. Schon 2007 hatte ich meine erste Ausstellung in einer Freizeitgalerie, und meine Bilder verkauften sich sofort überraschend gut. Da dachte ich, da machste mal weiter (lacht).Die Künstlerin saß indessen nicht nur an der Staffelei. 2009 wurde sie als Projektleiterin und Kuratorin des Kunst- und Literturpfads Loreley im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz aktiv. Im Rahmen dieses Projekts malte sie ein Bild, das beweist, dass die Politologin ihre kritische Weltsicht auch mit dem Pinsel ausdrücken kann: „Ach Lore“ heißt das Gemälde, das Sylvia in einer Ausstellung im Kreishaus Bad Ems zeigte – das steht auf der Insel Silberau, wo im Mittelalter Frauen als „Hexen“ verbrannt wurden:Die Loreley wird in allen bekannten Versionen der Sage als männerverschlingende Femme Fatale beschrieben. Das beruht auf der Ballade „Lore Lay“ von Clemens von Brentano, der sie als Zauberin auf dem Rheinfelsen erfand. Brentanos Loreley liefert sich selbst der Kirche zur Verbrennung als Hexe aus, weil sie nicht mehr damit leben kann, dass sie alle Männer verführt. Aber der Bischof verliebt sich ebenfalls in sie – deshalb habe ich den Teufel auf das Bild gemalt, der den Kirchenmann schon in seiner Kralle hat... (lacht)Neben der ungebrochen aktuellen Frage, ob tatsächlich die Frauen schuld sind, wenn Männer nicht auf dem angesagten Kurs bleiben, stellt sich Sylvia Catharina Hess in ihren Werken immer wieder ernsten Themen auf der Basis literarischer Vorlagen und eigener Erlebnisse. Darunter finden sich Bilder wie etwa „@Nature One“, in dem es um junge Leute und ihre Flucht in virtuelle Welten und Handy-Dauergebrauch geht oder auch Gemälde, in denen sich die Künstlerin dem Bereich Krankheit und Sterben zuwendet. Ihren Facettenreichtum präsentierte sie nicht nur in der Galerie Avenida 17 auf La Palma, sondern auch in zahlreichen Ausstellungen und Beteiligungen an Kunstmessen in Deutschland und Frankreich. 2010 wurde Sylvia mit dem Nassauer Kulturpreis in Silber ausgezeichnet - und sogar in Südkorea beim Seoul International Art Festival 2009 waren ihre Werke zusammen mit Arbeiten von Künstlern aus dem Rhein-Lahn-Kreis schon zu sehen. Parallel zur Malerei organisiert die einstige Lehrerin gerne kulturelle Projekte in ihrer Heimatregion und ist Mitbegründerin des Cercle des Artistes Européens im französischen Mulhouse. Und neben all diesem Engagement findet sie noch Zeit, die Skripte ihres Ehemannes in den Computer zu tippen und sie zu lektorieren. Denn Harald Braem – bekannt durch zahlreiche Bücher auch über La Palma – schreibt alles von Hand. Sylvia plaudert aus dem Nähkästchen:Wenn Harald einen Roman verfasst, bin ich seine erste Kritikerin – ich bin ja Germanistin. Ansonsten halten wir unsere Arbeit bewusst auseinander; ich male nichts zu seinen Themen. Das einzige, was ich mal machen wollte, war eines seiner Bücher über Sagen zu illustrieren, aber das war dem Verlag damals drucktechnisch zu aufwändig...2017 erschien das bisher jüngste Buch von Harald Braem Der Libellenmann. Seine Fans können sich freuen, denn Sylvia berichtet, dass ihr Gatte bereits am nächsten tüftelt:Ich will nicht zuviel verraten, nur dass Harald zur Zeit wie besessen an einem neuen Projekt schreibt, das er schon vor vielen Jahren angefangen und immer wieder wegen anderer Bücher zur Seite gelegt hat. Es ist ein Roman mit leicht autobiographischen Zügen, der in der Kindheit eines Jungen spielt, der mit seiner Familie im Wald lebt. Es soll "Die Wälder der Kindheit" heißen und ist auch ein Lieblingsprojekt von mir. Während Harald seine Feder auf La Palma im Haus in La Punta glühen lässt, ist Sylvia ganz froh, dass sie in ihrem Gartenatelier ein stilles Refugium hat, das ein paar Meter von der Schreibstube ihres umtriebigen Gatten entfernt liegt. Wer sich für ihre Bilder interessiert, kann sie hier übrigens auf Voranmeldung per E-Mail auch besuchen. Meistens ist sie in den Wintermonaten und ein paar Wochen im Sommer auf der Insel, ansonsten lebt sie im rheinland-pfälzischen Nierstein.E-Mail: mail@art-hess.comHier geht es zur Website von Sylvia Catharina Hess.Von La Palma 24