Das botanische Wahrzeichen der Kanarischen Inseln ist der Drachenbaum, weil auf Teneriffa, La Palma und Gran Canaria teils jahrhundertealte Dracaena dragos in den Himmel ragen. Dabei ist der Drago gar kein richtiger Baum. Aber er ist sehr fotogen – und vor allem ausgesprochen magisch!
Forever young:
Der Drago im Wandel der Zeit
Der berühmteste Drago der Kanaren steht auf Teneriffa: “Bei dem Drachenbaum von Icod de Los Vinos handelt es sich um das größte und älteste noch vorhandene Exemplar dieser Pflanzenart, die aus dem Tertiär stammt”, erklären Wissenschaftler vom Institut für Modellstatik der Uni Stuttgart. Die haben den im Volksmund “Drago millenario” genannten Storren auf Herz und Nieren getestet und dafür gesorgt, dass er nicht umfällt. Wieviele Lenze der „Tausendjährige“ tatsächlich auf dem Blätterbuckel hat, können jedoch selbst Experten nur schätzen. Die Zahlen schwanken zwischen 400 und 600 Jahren, denn der Drago hat keine Jahresringe zum Nachzählen. Grund: Er ist kein Baum, sondern ein Liliengewächs - wobei die Wissenschaft inzwischen streitet, ob er nicht doch zur Familie der Agaven gehört.
Legendenbaum aus Drachenblut geborenDer Drachenbaum besitzt noch mehr außergewöhnliche Eigenschaften. Er blüht, wann er will und äußerst selten. Er blutet rotes Harz, wenn man ihn anritzt. Und schneidet man einen seiner Zweige ab, wachsen zwei an derselben Stelle nach. Das alles hat ihn im Lauf der Zeit zum Legendenbaum gemacht. So gilt er als direkter Nachkomme des 100-köpfigen Drachen Ladón, der in der Ursage den Baum der Jugend mit seinen zwölf goldenen Äpfeln im Garten der Hesperiden bewachte. Allerdings nur, bis Herakles kam, ihm die Köpfe abschlug und die Äpfel klaute. Der Hesperidengarten lag “im Westen, wo die Sonne untergeht” – also auf den Kanaren. Und aus Ladóns Bluttropfen keimten dann die ersten Drachenbäume.Hilft gegen böse Geister und hält das Zahnfleisch gesundWen wundert´s, dass ein so mythisch geborenes Gewächs sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Insbesondere in esoterischen Kreisen. “In einem mehr als 1.000jährigen Drachenbaum begegnen Sie dem Element Erde”, macht ein Veranstalter im Internet Lust auf eine “schamanische Teneriffa-Reise”. Räucherwerk-Hersteller dagen wissen den Wert des Drago-Harzes zu schätzen und zermahlen es zu einem roten Pulver. Zündet man dieses an, bedeckt der “Atem des Drachens” den Körper, und das ist angeblich eine super-sichere Sache: “Drachenblut-Räucherung hilft gegen böse Geister, Dämonen und negative Energien”, versprechen die einen Anbieter. Andere empfehlen, das rote Drago-Pulver mit Weihrauch zu mischen. Anschließend wiederum anzünden, einatmen – und dann geht was in der Liebe. Doch der Saft des Drachenbaumes machte schon lange vor seinem Auftritt im World-Wide-Web Karriere. Die spanischen Eroberer zapften das rote Gold der Kanaren ab, weil es sich im Mittelalter ganz hervorragend als Holzschutz- und Färbemittel sowie als Medikament für innere und äußere Wehwehchen verkaufen ließ. Das Wissen darum hatten die Spanier von den Ureinwohnern der Kanaren, die mit Dragoblut Knochenbrüche heilten und ihre Toten mumifizierten. Sogar Alexander von Humboldt schrieb während seiner Woche auf Teneriffa im Jahr 1799 von der Heilkraft des Baumes, der kein Baum ist: “In La Laguna fertigt man in Nonnenklöstern Zahnstocher, die mit dem Saft des Drachenblutes getränkt sind, die man uns anpries, weil sie das Zahnfleisch konservieren sollten.”Drachenbäume entgiften die Raumluft Tatsächlich wurde das magische Harz bis ins 19. Jahrhundert als Zusatz für Zahncremes verwendet. Im 21. Jahrhundert hat der Saft seine Bedeutung in der Medizin verloren. Der Drachenbaum dagegen macht heutzutage als „Entgiftungspflanze“ Schlagzeilen. Inzwischen gibt es sogar eine Studie der Technischen Universität Sydney, die nachweist, dass zum Beispiel die Dracaena deremensis Luftschadstoffe abbaut. Etwa Trichlorethylen, das unter anderem aus Laserdruckern und Schaumstoff in Möbeln austritt. Ganz recht: Der Drachenbaum und seine Verwandten gedeihen bei richtiger Pflege auch in deutschen Wohnzimmern. Einziges Problem: Kater Carlo und Kaninchen Paul haben ihn zum Fressen gern, kriegen aber von den für sie giftigen Dragoblättern Bauchweh. Zur Vorsicht wird auch Leuten geraten, die Haustiere und einen sogenannten “Glücksbambus” besitzen. Denn hinterm „Bambus“ verbirgt sich in Wahrheit eine Gattung der Dracaena. Einen Drachenbaum im Zimmer hatte auch die Schauspielerin Astrid Andresen. Allerdings nicht lange, wie sie in einem Gedicht beschreibt: “Er verlor manche Zacke, die ich von ihm riss und gegen meinen Liebsten schmiss.” Der Drago ließ sich das wohl nicht gefallen und sagte zu Frau Andresen: “Ich hab den Drachen in meinem Stamm, nicht Du, so lass ich das nicht länger zu.” Fazit der Schauspielerin: “Es war das Letzte, was ich vernahm, gestorben ist er wohl aus Gram.”Dragos auf La PalmaIm Gegensatz zu ihren in Töpfen gefangenen Kollegen schützen sich die wildwachsenden Dragos vor menschlichen Übergriffen, indem sie sich oft in schwer zugänglichem Gelände verstecken. So hat etwa auf La Palma eine Drachenbaum-Kolonie in La Tosca nahe Barlovento mit mehr als 20 Bäumen die Jahrhunderte überlebt. Unzählige finden sich aber auch direkt am Wegesrand entlang der Buracas-Wanderrote in Las Tricias. Im Osten der Isla Bonita gelangten die Dragos Gemelos in Breña Alta zu inselweiten Ruhm, denn um sie rankt sich eine Legende: Laut der wurden die Zwillingsdrachenbäume im Gedenken an zwei Brüder gepflanzt, die sich aus Verliebtheit zur gleichen Frau umbrachten.“Sein Anblick mahnt lebhaft an die ewige Jugend der Natur”, schrieb Alexander von Humboldt beim Anblick eines alten Drachenbaums auf Teneriffa. Ewig jung bleiben auch die Drago-Früchtchen. Als “Drachenbaumsamen” werden sie auf La Palma in Ketten, Armbändern und Ohrringen verarbeitet und erfreuen sich vor allem in Kombination mit Lava und Olivin großer Beliebtheit als Souvenir. Gern gekauft wird übrigens auch das Buch “Unter dem Drachenbaum” von Horst Uden. Allerdings liest man darin keine Geschichten über Dragos, sondern Legenden der sieben kanarischen Inseln. Uden erklärte den Titel seines Buches so: “Zeuge und Sinnbild dieser Erzählungen ist der kanarische Drachenbaum.“ Ja, wenn Dragos reden könnten... Und last - but not least - hier ein Video mit Ima Galguén: "The Voice of La Palma" besingt in der Höhle von Belmaco den magischen Drago:Von La Palma 24