Die Insel La Gomera ist ein verschlafenes grünes Paradies, das vom Massentourismus verschont, als Kleinod unter Naturliebhabern gilt. Jährlich kommen etwa 1,3 Millionen Touristen, vor allem um zu wandern und die Schönheit der Insel zu genießen. Seit 2012 ist La Gomera ein Biosphärenreservat und Umweltschutz und Nachhaltigkeit stehen in jedem Parteiprogramm.
Dennoch steht es für die Grünflächen in der Inselhauptstadt San Sebastián nicht zum Besten.
Bürger und Touristen beklagen, dass Palmen und Sträucher vertrocknen, die letzten grünen Winkel zubetoniert und ikonische Bäume an Flaniermeilen abgeholzt werden. Nun geht es auch noch den „exotischen“ – nicht einheimischen Pflanzen an den Kragen.
Die neu gewählte Bürgermeisterin Angélica Padilla (ASG) hat sich in einer ihrer ersten Amtshandlungen zur „Verschönerung“ der Innenstadt keine Freunde gemacht.
Mehr als ein Dutzend Flamboyanes (deutsch Flammenbaum oder Flamboyant) – prächtige, in voller Blüte stehende Zierbäume der Gattung Delonix regia sind an der Avenida José Aguiar in der ersten Augustwoche der Motorsäge zum Opfer gefallen.
Die Abholzung hat eine nie dagewesene Protestaktion auf den Plan gerufen - mittlerweile berichtete sogar die Nachrichtenagentur Reuters über den Fall.
La Gomera hatte gerade einen tagelangen Stromausfall nach einem dubiosen Brand im Inselkraftwerk überstanden und nun mit Rekordtemperaturen und einem heftig wütenden Wüstensturm zu kämpfen. Bei den sonst friedfertigen Insulanern liegen die Nerven blank.
Binnen weniger Tage bildete sich eine auf rund 300 Mitglieder angewachsene Bürgerbewegung „Salvar los Árboles de La Gomera“, die bis zum 18.08.2023 1800 Unterschriften für die Rettung der Bäume einsammelte.
Am 12. August 2023 zogen die Baumschützer in bunten Kostümen (in Gedenken an die Flammenbäume), mit Gesang, Trommeln und Plakaten vors Rathaus, um ihre Forderungen vorzubringen. Für einige Insulaner war dies mit 150 Teilnehmern die größte Demonstration, die sie jemals in San Sebastián erlebt hatten. Allerdings blieben im Rathaus die Türen verschlossen, denn die Beamten waren zu Feierlichkeiten im Nachbarort ausgeflogen.
Misshandlung der Stadtbäume hat in San Sebastián Tradition
Baumschützer und Gärtner Javier Sanchez: „Die Beamten im Grünflächenamt agieren wie Hühner ohne Köpfe. Mitten in der Klimadebatte und während einer Hitzewelle, wenn jeder Schatten sucht, etablierte Laubbäume abzuholzen oder auch nur Äste zu sägen, ergibt überhaupt keinen Sinn. Kein Gärtner behandelt so seine Pflanzen.“
Seit Jahrzehnten würden in seiner Stadt Parkbäume misshandelt, Büsche vertrocknen und Straßenbäume auf das wenige Regenwasser angewiesen sein. Auch gebe es mittlerweile eine unrühmliche Chronik von unnötigen Baumfällungen, sagt Sanchez.
So wurde die Fußgängerzone Calle Real im Frühjahr 2022 all ihrer Ficusbäume beraubt, beklagt auch Marina Seiwert, seit 1999 deutschsprachige Wanderführerin auf La Gomera. „Zu viel Beton, zu wenig Pflanzen und kein Schatten mehr.“ Kaum jemand setze sich auf die Bänke, die in der prallen Sonne stehen.
Der Lorbeerbaum an der Plaza Calvario konnte der Säge nur entkommen, weil Bürger dafür gekämpft hatten. Später ließen sich Politiker stolz darunter ablichten.
Die Bürgerbewegung bezeichnet die letzte Abholzung in der Hauptstadt als einen „skrupellosen und ungerechten Akt, der allen Bewohnern schadet und ein schlechtes Zeichen für die Zukunft setzt.“
Zudem habe sich bis zur spontanen Gründung der Bürgerinitiative niemand für die Abholzung der Bäume und die vernachlässigten Grünflächen interessiert, moniert Sanchez. Heute sei man offenbar weniger an „grüner“ Politik interessiert als noch vor 40 Jahren.
Die Flammenbäume an der Avenida José Aguiar waren vor 37 Jahren von Schulkindern mit Blick in eine grüne Zukunft angepflanzt worden.
„Es war so schön, meinen eigenhändig gepflanzten Flamboyan mit mir heranwachsen zu sehen. Ich war damals zehn Jahre alt und weiß noch, wie bedeutsam das alles für mich war“, sagt die heute 47-jährige Desiree Gonzalez, die sich den Protesten angeschlossen hat.
Reaktion des Rathauses – Einlenken, aber kein Schuldbewusstsein
Als Hauptgrund für die Fällaktion wurden aggressive Wurzeln der Flammenbäume angeführt, die eine Gefahr für die Passanten darstellten und die Abflussleitungen beschädigten. Zugleich wolle man sukzessive nicht-heimische Gewächse mit etwa 200 kanarischen wilden Olivenbäumen, Pistazienarten und Obstbäumen ersetzen, erklärte die Pressesprecherin.
Ventura del Carmen Rodríguez, Sprecherin der oppositionellen PSOE, hält das Argument „Schutz heimischer Arten“ für Unsinn.
„Es ist merkwürdig, dass wahllos Zierpflanzen, die unser Stadtbild seit Jahren prägen, plötzlich gefällt werden“, so Rodríguez. Zwar seien Flamboyanes nicht einheimisch, aber auch keine invasive Art. Was solle dann erst mit invasiven Johannesbrotbäumen, Wunderbäumen, Malven oder Tabakpflanzen geschehen? Müssen die auch ausgerottet werden?
Ein irrwitziges Vorhaben, da auf den Kanaren seit Jahrhunderten fremde Pflanzenarten aus allen Erdteilen mit der europäischen Kolonisierung der Welt eingeführt wurden.
Ein Pyrrhussieg – denn das Unglück ist geschehen
Im Rathaus zeigte man sich über den Unmut der Bürger und vor allem der Oppositionsparteien erstaunt. Denn die „Pläne zur Verschönerung der Stadt“ seien längst öffentlich gemacht und allen Parteien zugänglich gewesen.
Immerhin haben die wütenden Proteste und wohl auch die schlechte Presse für ein Einlenken bei den Beamten gesorgt. Die Baumfällungen sind vorerst gestoppt. Es werde im Zuge der Stadtverschönerung zwar weitere Sägearbeiten geben, aber kein Baum wird mehr gefällt, heißt es aus dem Rathaus.
Glück für die letzten verbliebenen „aggressiven“ Flammenbäume vor dem Sprachinstitut in der Schulstraße, die nun zu Symbolen des Widerstandes werden könnten. Dass die Flammenbäume durch „aggressives Wurzelwerk“ die Pflastersteine anheben und Fußgänger gefährden würden, hält auch Aktivistin Diana für eine Lüge. Der Gehweg sei in perfektem Zustand gewesen.
Der in La Gomera geborene Architekt, Tomas Alonso Hernandez, der Herausgeber eines kritischen Inselmagazins Junoniadigital ist, unterstützt die Bürgerbewegung mit seinem Fachwissen:
„Es gibt Methoden wie Geotextilien oder Sperrsysteme, um zu verhindern, dass Wurzeln Installationen und Infrastrukturen beschädigen. Leider hat sich die Stadt für die einfache und schlechteste Option entschieden.“
Alonso beobachtet aus seinem Wiener Exil wie dilettantisch die Insel verwaltet wird und dass von Nachhaltigkeit keine Rede sein kann. Allein das jüngste Energiedesaster nach dem inselweiten Stromausfall und Skandale um nicht funktionierende Windräder sprächen Bände.
Der Strom läuft immer noch über fossile Generatoren und hat seit dem Zusammenbruch der Energieversorgung Anfang August allen die Abhängigkeit und Fragilität der Insel aufgezeigt. Die Inselverantwortlichen hätten mehr Probleme als Lösungen.
Skepsis und Wut über Greenwashing
Die Baumfreunde sind zunehmend skeptisch, was die Versprechungen der Stadtverwaltung angeht. Es sei ausgenutzt worden, dass viele Bewohner im Sommer verreist waren. Zudem hätten die sägefreudigen Baumfäller in den frühen Morgenstunden agiert, wohl, damit sich nirgendwo Proteste bildeten.
Die Rathaussprecherin kolportiert: „Die Abholzung musste während der Ferienzeit stattfinden, da später der Autoverkehr und Fußgänger die Arbeiten zusätzlich erschweren. Daher die Eile.“
Für so manchen Gomero wird eine scheinheilige Politik betrieben und seit Jahrzehnten Umweltpolitik gegen den Willen der Bürger gehandelt. „Das erinnert mich sehr an die Zeiten Berlusconis“, meint Italienerin Elettra Caudolo, die im Valle Gran Rey lebt. Mancher fürchtet, dass Pläne der Agenda 2030 willkürlich ausgelegt und verfolgt werden, die gut klingen, aber nicht dem Wohle der Gomeros gelten. Man hält den Verschönerungsplan für reines Greenwashing.
„Wir haben die Nase voll – diese Fällaktion ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat! Wir hoffen, dass wir jetzt die Dinge selbst in die Hand nehmen und bei der Stadtplanung mitreden können“, sagt Aktivistin Emmanuelle.
Hier sind einige Forderungen der neuen Baumbewegung:
- Forderung an Cabildo-Präsident Casimiro Curbero sämtliche Baumfällungen zu stoppen und für sofortige Neupflanzungen zu sorgen
- Bürger sollen vernachlässigte und verlassene Terrassen bepflanzen dürfen
- Reparatur der Wasseraufbereitungsanlage, damit Straßenbäume und öffentliche Plätze bewässert werden können
- Einführung eines Mülltrennungssystems
Bis heute wird auf La Gomera der Inselmüll entweder in Schluchten wie an der Playa de la Guancha verklappt oder nach Teneriffa zum Recycling verschifft. Umweltschützer sammeln in mühsamen Aktionen den umherfliegenden Müll von der Halde und bringen ihn per Boot in den Hafen.
Die Schulstraße liegt im Industrieviertel und zählt zu den kontaminiertesten Zonen der Insel und kann jede Grünpflanze und Baum gebrauchen. In Calima-Episoden werden regelmäßig gefährliche Schwebstoffwerte in der Luft gemessen.
Die Bürgerinitiative will jetzt Patenschaften für die Stadtbäume übernehmen, damit nicht doch wieder aus Versehen ein alter Baum der „Verschönerung“ zum Opfer fällt. Außerdem hoffe man auf ein Erstarken der Protestbewegung, spätestens, wenn die Lehrer und Schüler aus den Ferien zurückkehren und ihre geliebten Flammenbäume vermissen werden.
Man sei enttäuscht, dass sich viele Gomeros von den Protesten ferngehalten hätten. Auch die sonst ökologisch interessierten einheimischen Zeitungen haben bislang nur verhalten über den Skandal berichtet. Viele Einheimische fürchten zudem, ihre kostbaren Arbeitsplätze zu verlieren, die ihnen die öffentliche Hand verschafft habe. Die echte grüne Revolution komme in La Gomera wohl nur durch mutige Bürger in die Gänge.
Über die Autorin:
Luise Wagner war Redakteurin für die WELT in Berlin und ist seit 2005 Auslandskorrespondentin für diverse deutsche Zeitungen in Kanada und Spanien. Ehrenamtlich koordiniert sie Umweltprojekte für die Meeresschutzorganisation Ambiente Europeo auf den Kanaren. Die Gruppe organisiert Strandreinigungen, Recyclingprojekte, nautische Workshops und das Citizen-Science-Projekt SeaLabs, bei dem Segler bei der Atlantiküberquerung Meeresproben sammeln.
Von Dörthe
Der Irrsinn entspricht leider spanischer Gesetzgebung. Auf La Palma hat sich die Organisation des Biosphärenreservats die Durchführung auf die Fahnen geschrieben und auch private Grundstücke zur Säuberung aufgesucht. Es wurden Agaven, Wandelröschen, Eukalyptusbäune etc. entfernt. Eine Liste mit 50 Pflanzenarten ist beim Biosphärenreservat herunterzuladen. Rechtlich gesehen muß man übrigens bei entsprechendem Besuch keinen Einlass in den eigenen Garten gewähren. Nebenbei wurde auch über die Abholzung der Mandelbäume diskutiert.
Das ist ungeheuerlich. Bauern, Gartenbesitzer, Baum- und Naturschützer brauchen inselübergreifenden rechtlichen Beistand.
Der Irrsinn der Regierungen in der Europäischen Union und der Welt durch die Globallisten ist wirklich nicht Nachvollziehbar!
Alles nur Roden und zu Pflastern ist keine Umwelt verträgliche heran Gehens weise!
Wir graben uns die Existenz selber unter den Füßen weg, wenn der Irrsinn nicht gestoppt wird.
Jahrhunderte wenn nicht Jahrtausende lang hat die Natur gebraucht um den Menschen eine Gute Natur zu hinter lassen, nur die Geldgierigen Globallisten haben dafür kein Verständnis, aber die werden auch noch bestraft werden? Grüße
Mir stockt nur der Atem bei solcher Dummheit, ich dachte, die Gomeros würden die Natur schützen, die sie seit Hunderten von Jahren schützt.Solche Verwaltungen braucht kein Mensch.
Ich bin wütend und traurig abwechselnd und zugleich. Eine Schande ist das ! Will man die Gomeros auch ausrotten ? Was für eine Dumme Aktion, die zum Himmel schreit.
Wie mittlerweile auf allen Ebenen der Politik sitzen auch hier ausnahmslos dumme, ungebildete und korrupte Marionetten in den Sesseln der Regierungsbüros. Verkommene Blender in gebügelten Hemden und Lackschuhen. Sobald sie den Mund aufmachen, wird gelogen. Es geschieht absolut nichts mehr mit Verstand oder zum Wohl der Bevölkerung. Das wird sich nicht ändern, solange sich die Menschen alles gefallen lassen und nicht erkennen, dass SIE der Souverän sind und die Politiker IHNEN zu folgen haben. Wer sich nicht aktiv wehrt, wird zum Vieh und verdient, was mit ihm geschieht. Dann müssen sie eben in der prallen Sonne hocken.
Bitte mal einige Belege zu ihrem “schweren Geschütz”
Dank und Grüße Micha
Hallo Micha,
danke für Ihren Kommentar. Bitte erklären Sie sich doch etwas genauer. Wer soll die Geschütze auffahren? Möchten Sie Belege der Verwaltung oder benötigen Sie einen Kontakt zur Baumschutzgruppe? Mittlwerweile hat die Unterschriftenaktion 3000 Stimmen gesammelt. Es gibt auch eine mittlerweile aktualisierte Liste der Forderungen seitens der Aktivisten, wie etwa Einsicht in den bestehenden Baumbestand in San Sebastian. Gerne vermittle ich den Kontakt. Herzliche Grüße.
Ich mache seit Jahren Urlaub auf der magischen Insel La Gomera ‼️
Und ich finde es einfach nur schade das es immer wieder Personen gibt die einfach zerstören und nicht genug darüber nachdenken
Was sie eigentlich anrichten.
Grüße Norbert Adler
Was für ein Irrsinn…dachte immer,nur in Deutschland werden solche absurden Gesetze uns Aktionen vom Stapel gelassen!Das das auch für die spanischen Behörden gilt finde ich mehr als traurig…eine Attraktion weniger auf den Inseln!
die menschliche Dummheit ist unendlich, die Temperaturen steigen und Idioten fällen Bäume Gomera ist ein naturjuwel und sollte unbedingt erhalten werden wir alle sollten dafür was tun
@Luise:
bei dem “schweren Geschütz” ging es mir um Belege für das krude undifferenzierte Pamphlet welches Herbert hier aufgefahren hat.
Sonstige Belege, Kontakte oder Listen benötige ich nicht – hoffen wir mal, dass einige Bäume den Kahlschlag überleben werden..
Danke und Grüße Micha
Warum wird das entfernt was die Seele erfreut? Die Aktion ist für mich unbegreiflich!!!
Irrsinnige Idioten, wohin das Auge blickt. Inkompetente, blasierte Arschlöcher, wohin man schaut. Diesen ignoranten, engstirnigen Vorstadtpolitikern muss ganz schnell das Handwerk gelegt werden.