Wale und Delfine auf den Kanaren
Wer Flipper liebt hält Abstand
Die Kanarischen Inseln sind weltweit ein Hot-Spot für Wale und Delfine – 29 Arten werden in den Gewässern des Archipels gezählt. Allerdings tummeln sich die Flippers und Willies hier nicht ungestört: Whale-Watcher und Schnellfähren rücken ihnen zu Leibe, und im Loro-Parque auf Teneriffa müssen ihre Kollegen nach der Pfeife des Menschen tanzen. Haben Delfine wirklich Spaß, wenn sie Sprünge um Touristenboote vollführen? Wieviel Whale-Watching ist verträglich? Was unternimmt die Kanarische Regierung, um die Meeressäuger zu schützen? La Palma 24 ist diesen – und anderen – Fragen nachgegangen und wird sie in dieser und nachfolgenden Reportagen beleuchten. Kein Thema: Es macht Spaß, im Urlaub mit einem Boot auf den Atlantik hinauszuschippern – und erst recht, wenn man das Glück hat, unterwegs Wale oder Delfine mal live zu sehen. Besonders viele Cetaceen – so ihr lateinischer Name – tummeln sich in den Wasserwelten um La Gomera, Teneriffa und La Palma. Doch während es auf La Palma nur ein einziges, offizielles Walbeobachter-Schiff für Touristen gibt, heften sich auf Teneriffa täglich bis zu 30 Boote an die Fersen der Meeressäuger – und das bis zu dreimal pro Tag. Ein entscheidender Unterschied, erklärt der Meeresbiologe Fabian Ritter: „Insgesamt werden pro Jahr auf den Kanaren 620.000 Whale-Watcher gezählt – 600.000 von ihnen gehen aufs Konto von Teneriffa“. Der Vorsitzende des in Berlin registrierten Vereines M.E.E.R. und Mitglied der Internationalen Walfang Kommission (IWC) stuft die Situation auf La Palma mit rund 10.000 Wal- und Delfinbeobachtern jährlich als „noch verträglich“ ein - ganz im Gegensatz zu dem Massenansturm auf Teneriffa. „Aber man muss die Entwicklung im Auge behalten.“ Schließlich liegt Flipper-and-Willy-Watching voll im Trend. 1982 - 27 Jahre, nachdem das Beobachten der Cetaceen in Kalifornien „erfunden“ worden war – befanden sich bereits Anbieter in 12 Ländern im lukrativen Geschäft. 1992 zählte man schon 4,5 Millionen Walgucker in 45 Ländern, deren Zahl bis 1991 auf 9 Millionen anstieg. „Die Branche wächst drei- bis viermal so schnell wie die gesamte Tourismusindustrie, 2011 hat sie sich bereits in 119 Ländern etabliert“, so Fabian Ritter. „Das ist ein weltumspannendes Geschäft mit mehreren Milliarden US-Dollar Einnahmen.“ Wohlgemerkt: Der M.E.E.R.-Chef will den Touristen nicht den Spaß verderben – es komme nur auf das „Wie“ der Bootsausflüge an. „Gutes Whale-Watching bietet Chancen für die Küstenorte, fördert das Umweltbewusstsein, die Forschung und die Schutzbemühungen, und es ist eine echte Alternative zu den Delfinarien, denn nur im Ozean kann man sehen, wie die Meeressäuger wirklich sind.“ Der Internationale Tierschutz-Fonds (IFAW) sieht das genauso, vor allem, weil das Beobachten der Cetaceen dazu beitrage, „ein Gefühl für den bedrohten Lebensraum Meer zu entwickeln.“ Keine leeren Worte – der Verein von Fabian Ritter geht mit gutem Beispiel voran. Seit 1995 bietet M.E.E.R. in Zusammenarbeit mit dem Bootsausflugs-Unternehmen „OCEANO“ auf La Gomera „respektvolles“ Whale-Watching an. Das Projekt „M.E.E.R. La Gomera“ ist inzwischen ein international anerkanntes „Best-practice-Beispiel“ und wurde 2001 mit dem „Tourismus- und Umwelt-Preis“ des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalterverbandes ausgezeichnet. Fabian Ritter erklärt, wie´s funktioniert: „Wir fahren mit kleinen, ehemaligen Fischerbooten hinaus, und die Teilnehmer erhalten wissenschaftliche Informationen über die Meeressäuger und Anleitungen, wie man sich bei Sichtung der Tiere verhalten soll.“ Zudem bekommen die Gäste ausführliches Info-Material, können Vorträge besuchen und sich die dreisprachige M.E.E.R.-Ausstellung in den Räumen von OCEANO ansehen. Ähnlich, obgleich nicht ganz so wissenschaftlich, steuert die Crew der „Fancy II“ auf La Palma ihr Whale-Watching. Zwar fasst der Katamaran, der von Tazacorte im Westen der Insel startet, bis zu 50 Personen und ist somit größer als die Fischerboote auf La Gomera – jedoch Fancy-Chef José Ramón Roca arbeitet exakt im Sinne des kanarischen Cetaceen-Schutzgesetzes. Bereits im Hafen informiert ein Schild am Ticketstand die Touristen, wie sie sich bei Sichtungen verhalten sollen. Denn „Pepon“, wie Señor Roca von allen genannt wird, weiß, was er tut: Während einer einjährigen Ausbildung auf Teneriffa hat er den „Carnet Guía de la Oberservación de Cetaceas en Canaria“ erworben. Nur Schiffsführer, die diesen „Cetaceen-Beobachtungsschein“ haben, dürfen offiziell Whale-Watching betreiben. Bislang ist Pepon der einzige auf La Palma, der diese Lizenz besitzt – und damit ist die „Fancy II“ ein sogenanntes „Blue Boat“. Blaue Boote erkennt der Laie am Gütesiegel: Eine gelbe Flagge mit zwei Grindwalen auf blauem Grund. Pepon begnügt sich freilich nicht damit, seine Bordgäste mit einem Schild an Land ins Bild zu setzen: „Jedes Mal, wenn wir unterwegs Wale oder Delfine sehen,erklären wir den Touristen die Tiere und ihr Verhalten im Detail.” Dazu steht der Crew auch eine Broschüre mit Abbildungen und Texten in mehreren Sprachen zur Verfügung. Mit der gehen sie rundum, und stoßen laut Pepon auf “sehr großes Interesse”. Die Besatzung der “Fancy II” und das Team um Fabian Ritter zeichnen zudem auf jeder Fahrt die gesichteten Cetaceen und deren Verhalten gegenüber den Booten schriftlich auf. Das “M.E.E.R.”-Projekt macht dies bereits seit 1995 und hat in dieser Zeit mehr als 6.000 Sichtungen von 23 verschiedenen Arten vor La Gomera dokumentiert. Fabian Ritter: „Die Vielfalt auf den Kanaren ist einmalig, weshalb der gesamte Archipel zum Cetaceen-Schutzgebiet erklärt werden sollte.“ Im Blick auf die Studie betont der Meeresbiologe, dass sie „hochgradig relevant für das künftige Management von Whale-Watching-Aktivitäten“ sei. Sein Ziel: Regeln aufzustellen, die die Lebensgewohnheiten der einzelnen Arten berücksichtigen – wenn´s geht international. Denn Regeln gibt es zwar – per Gesetz von der Kanarenregierung seit 1996 festgeschrieben und 2002 überarbeitet –, aber die sind allgemein gehalten. So müssen kommerzielle Anbieter wie Pepon eine Lizenz zum Whale-Watching besitzen, dürfen sich – neben anderen Vorschriften - den Meeressäugern mit laufendem Motor auf nicht mehr als 60 Meter nähern und müssen dann alle Schallquellen an ihren Booten abschalten. Vor allem aber: Füttern oder direkter Kontakt mit den Walen oder Delfinen ist verboten! Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Es gibt Sondergenehmigungen für Wissenschaftler, aber schon auch mal für Prominente. So schwamm etwa Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher 2007 vor Teneriffa mit Walen. „Ein beeindruckendes Erlebnis“, kommentierte Schumi diese „Erfüllung eines Kindheitstraums“ auf Anfrage gegenüber La Palma 24. Fabian Ritter schmunzelt im Blick auf das damals sehr umstrittene Promi-Extra und meint, man könne schon mal ein Auge zudrücken: „Wichtig ist, dass heute nicht mehr jeder einfach so zu den Tieren ins Wasser springen kann, früher haben das die Touristen zu hunderten getan.“ Was den Touristen Spaß macht, ist nicht unbedingt ein Vergnügen für Meeressäuger. Grund: deren unterschiedliche Charaktere. Der M.E.E.R.-Studie zufolge interagiert zum Beispiel der Zügeldelfin mehr als alle anderen Arten mit Menschen, der gewöhnliche Delfin verhält sich grundsätzlich offen, Rauzahndelfine reagieren mal so, mal so. Weiter stellten die M.E.E.R.-Forscher fest, dass Pilotwale im Allgemeinen nicht von Booten angezogen werden - obwohl man sich ihnen nähern kann, und Schnabelwale tauchen meist innerhalb kurzer Zeit ab. Wenn die zutraulichen unter den Delfinen ums Boot springen, kann das Spaßzeit signalisieren – muss aber nicht. Fabian Ritter: „Der Mensch möchte das gerne so sehen, und es mag auch manchmal so sein, aber die Tiere werden gestört.“ Etwa wenn die zoologisch zu den Delfinen gehörenden Grindwale während ihrer Schlafpausen in Gruppen an der Wasseroberfläche treiben. Oder auch beim Jagen und Fressen: „Delfine sind neugierig“, erklärt Fabian Ritter. „Sie schwimmen zu den Booten und verlieren den Fisch.“ Kurzfristig kann Whale-Watching so das Verhalten der Tiere ändern, die Kommunikation der Wal- und Delfinfamilien stören und sogar Krankheiten vom Mensch aufs Tier übertragen – etwa wenn Necker-Mann verbotenerweise zu ihnen ins Wasser springt oder sie füttert. „Langfristig werden die Cetaceen anfälliger für Krankheiten, pflanzen sich weniger fort, sie verlagern ihren Lebensraum oder wandern sogar ab“, blickt Fabian Ritter in die Zukunft. Betroffen sind somit insbesondere die Wale und Delfine, die auf den Kanaren ihren „festen Wohnsitz“ haben. Sie brauchen ihren gewohnten Lebensraum und können, wenn´s ihnen zuviel wird, nicht einfach so davon schwimmen wie ihre Artgenossen auf Wanderschaft. Ortstreu sind der Große Tümmler, der Rauzahndelfin, der Indische Grindwal, der Pottwal, der Blainville-Schnabelwal und der Cuvier-Schnabelwal. „Wir verzeichnen abnehmende Sichtungen von Blainville-Schnabelwalen und dem Blau-Weißen Delfin“, kommt Fabian Ritter auf die Ergebnisse der M.E.E.R.-Studien zu sprechen. „Davon abgesehen, differieren die Sichtungen von Jahr zu Jahr je nach Art beträchtlich.“ Dennoch haben sich durch die Langzeiterhebungen Trends herauskristallisiert. So lassen sich Gewöhnliche Delfine und Rauzahndelfine vor La Gomera seit 1996 signifikant seltener blicken. Große Tümmler traten bis 2001 in großen Scharen auf, 2002 war der Tiefpunkt erreicht und seitdem geht´s wieder bergauf. Bei den Indischen Grindwalen verzeichnen die Wissenschaftler seit 2002 eine beträchtliche Zunahme, und bei den Zügeldelfinen variieren die Sichtungen stark. Bei den Bartenwalen sieht man in manchen Jahren sehr viele, dann wieder extrem wenige. Die Crew der „Fancy II“ auf La Palma hat ihre Beobachtungsdaten dem MARMAC-Projekt zur Verfügung gestellt. Dieses zeichnet für die Meeresschutzzonen der Kanaren zuständig und hat die Art und Bewegungen der Meeressäuger im geschützten Atlantikbereich von Tazacorte bis Fuencaliente in einer Broschüre festgehalten. Demnach ist – wie auch vor La Gomera – der Große Tümmler das ganze Jahr über vor der Westküste La Palmas mit Pirouetten und Saltos an Heck und Bug der Schiffe zu sehen, hauptsächlich im Juli, August und September. Platz 2 auf der „Fancy“-Beobachtungsliste nimmt der für seine Sprünge berühmte Rauzahndelfin ein, gefolgt vom schnellen, aktiven Zügeldelfin und dem drittplazierten Gewöhnlichen Delfin mit seinen horizontalen Sprüngen über mehrere Meter. Auf Rang 4 springt der scheue Blau-Weiße-Delfin, der Whale-Watcher – wenn auch selten - mit seinen vertikalen Saltos begeistert. Bei der Walparade im Atlantik vor La Palma haben die zoologisch zu den Delfinen gehörenden Grindwale die Nase vorn. Gesichtet werden außerdem die seltenen Blainville-Schnabelwale, Cuvier-Schnabelwale, Pottwale, Kleine Schwertwale, Seiwale und Finnwale. Weil die Beobachtungsdaten auf La Palma im Vergleich zum „M.E.E.R.-Projekt“ nicht auf wissenschaftlicher Basis ermittelt werden, können nur die Experten um Fabian Ritter eine Schlussfolgerung ziehen – vorläufig, denn die Langzeitstudie auf La Gomera geht weiter . Sie führen das Auf und Ab der Cetaceen-Sichtungen darauf zurück, dass Wale und Delfine sich in ihren Bewegungen der sich verändernden Umwelt anpassen.“ Von entscheidender Bedeutung könnten dabei die steigenden Temperaturen der Meeresoberfläche durch den Klimawandel sein“, so Fabian Ritter. Wohin die Cetaceen ziehen, beeinflussen zudem unkontrolliertes Whale-Watching sowie der in den vergangenen Jahren stark angestiegene Sportboot- und Schiffsverkehr. Vor allem letzterer hat es auf den Kanaren in sich, weiß Fabian Ritter: „Hier herrscht die weltweit höchste Konzentration an Schnellfähren – allein 2007 wurden mehr als 17.000 Touren gefahren.“ Das sind knapp 1,5 Millionen Kilometer, die Dampfer, Katamarane und Trimarane pro Jahr durch Wal- und Delfingebiet brettern – die schnellsten mit heutzutage schon mehr als 70 Stundenkilometern. Das Problem: „Diese Geschwindigkeiten liegen außerhalb des Erfahrungsbereichs der Meeressäuger“, weiß der Meeresbiologe Ritter. „Weltweit gehen 80 Prozent aller Unfälle aufs Konto von Schiffen, die mehr als 14 Knoten machen.“Mehr Infos in Wale & Delfine Teil 2.Von La Palma 24
Habe bei meinem diesjährigen Teneriffaaufenthalt im Bereich Faro de Teno / Los Gigantes mit Entsetzen gesehen, dass dort Fahrten mit Wassermotorrädern stattfinden.
Ein Mutterboot mit 5 Jetski, jeweils mit 2 Personen besetzt.
Sicher besonders toll zum Verteiben von Delfinen und Walen.
Weil jährlich bis um die 12 Millionen Touristen auf die Kanaren strömen, halten es Experten für erforderlich, die bestehenden Schutzgebiete für Meeressäuger auszudehnen. Mehr Informationen zu diesem Thema gibt jetzt der soeben erschienene Bestimmungsführer des Meeresbiologen Fabian Ritter “Wale und Delfine der Kanarischen Inseln” (siehe Artikel vom 24. Januar 2012 bei La Palma 24).
Redaktion La Palma 24
Hallo, es ist so schön eure Berichte zu lesen-wer schreibt sie,wechselt ihr euch dabei ab?-.Es klingt nach vielen intensiven Erlebnissen, die wahrscheinlich nur ansatzweise schriftlich vermittelbar sind. Noch eine gute Zeit für euch alle, herzliche Grüsse von Corinna