Die Isla Mágica ist ein bisschen zickig
Offiziell besteht der Kanaren-Archipel aus sieben Hauptinseln. Die Bewohner der Kanaren glauben jedoch in ihrem tiefsten Innern, dass es ein achtes Eiland gibt. Leider macht das aber immer Zicken, wenn es jemand festnageln will. Die Rede ist von San Borondón, der „magischen Insel”.
La Isla Mágica ist nur einer der vielen Beinamen von San Borondón. Denn immer, wenn jemand das Eiland sichtet, wird es wie durch Zauberhand unter die Oberfläche des Atlantiks gezogen. Das bringt jede ordentliche GPS-Erfassung zum Scheitern - macht aber nichts. Denn die Koordinaten der Insel haben die San-Borondón-Sichter des Mittelalters in zahlreichen Seekarten festgeschrieben. Demnach findet sich die achte kanarische Insel exakt auf 29 Grad nördlicher und 5 Grad westlicher Breite des Meridians von El Hierro. Das ist westlich von La Palma, und so können sich Urlauber auf der "Isla Bonita” auf die Lauer legen – und mit etwas Glück in die Schar der San-Borondón-Seher einreihen . Der San-Borondón-Fanclub ist groß – und wird von einem irischen Mönch namens Saint Brendan of Clonfert angeführt. Der wagte sich im Jahr 512 mit weiteren circa 14 wackeren Mönchlein (die überlieferte Zahl der Mönche schwankt wie der Ozean) in einem Curragh aufs große weite Meer. Das Ziel: die „terra repromissionis“ - eine schon von den alten Römern verheißene Insel. Furcht- und ahnungslos gingen die Monks des 6. Jahrhunderts mit ihrer nur 5 Meter langen, lederummantelten Nussschale auf Westkurs, und waren der „Navigatio Sancti Brendani Abbatis“ zufolge geschlagene 7 Jahre unterwegs. Dass da was los war, versteht sich von selbst. Dämonen und Seeschlangen mussten abgewehrt und Stürme überstanden werden. Einmal campierte die fromme Crew zwecks Osterfeierlichkeiten auf einer vermeintlichen Insel. Die entpuppte sich jedoch als Fisch „Jasconius“, dem die Christianisierung erst dann zuviel wurde, als die heiligen Männer auf seinem Rücken ein Feuerchen entfachten. Schlussendlich aber war die Abenteuerfahrt der Iren von Erfolg gekrönt, und sie entdeckten „ein Paradies im Atlantik“. 15 Tage, so der Mönch Barino, hätten sie dort zwischen hohen Bergen, dichten Wäldern, klaren Flüssen und unbekannten Pflanzen mit seltsamen Früchten verbracht.Wo waren die Mönche gelandet?
Eine tolle Geschichte, die wie ein Lauffeuer um die damals bekannte Welt ging. Das sagenhafte Eldorado im Ozean wurde „Brendans Insel“ getauft, und natürlich wollten nun alle möglichen Leute dorthin. Eine knifflige Sache, denn Pauschalreisen gab es noch nicht, und die Aufzeichnungen der Mönche waren im damals hochmodernen Mythik-Stil abgefasst. Das las sich zwar spannend, gab aber navigationstechnisch eher wenig her. Sprich: Die Klosterbrüder hätten so ziemlich überall gewesen sein können – von den Kanaren über Island bis hin zu Amerika. Den Beweis dafür erbrachte Tim Severin, der 1976 mit einem nachgebauten ledernen Curragh den mönchischen Aufzeichnungen folgte – und immerhin bis Neufundland kam. Das wusste beim Zeichnen der „Mapamundi de Hereford“ anno 1275 freilich noch niemand. Und weil diese Weltkarte die heutigen Kanaren als „Inseln der Glückseligen und Saint Brendans Insel“ beschrieb, begann im dunklen Seefahrer-Mittelalter ein Licht zu leuchten. Entdecker-Promis wie Christoph Kolumbus machten die Sache noch amtlicher. Kurz bevor er Amerika entdeckte, schrieb Kolumbus 1492 bei seinem Boxenstopp auf den Kanaren folgendes in sein Tagebuch: „Viele respektable kastilianische Einwohner versicherten mir, dass sie jedes Jahr im Westen von Gomera Land sahen.“ Und Kolumbus notierte weiter: „Ich bin überzeugt, dass das Paradies auf Erden auf Brendans Insel liegt.“ Übrigens änderte sich mit dem Einzug der Spanier auf die Kanaren auch der Name - „Brendans Insel“ wurde zu San Borondón.San Borondón in allen Seekarten des Mittelalters
Ganz klar, dass San Borondón nun in jede Seekarte musste. Dass die Insel inzwischen schon „Isla Non Trubada“ – die Unerreichbare – hieß, störte dabei niemand. Immer neue Entdeckerberichte machten San Borondón immer realer. Etwa der des Portugiesen Pedro Velho. Der kam 1570 aus Brasilien angeschippert und behauptete steif und fest, nach einem Sturm auf San Borondón gestrandet zu sein. Wie die irischen Mönche schwärmte auch er von den paradiesischen Zuständen und hatte angeblich sogar Hieroglyphen und Spuren von Menschen entdeckt. Dann kam Nebel auf, Velho lichtete den Anker – und in der Morgendämmerung war die Insel wieder verschwunden. Dieses San-Borondón-Gezicke war ja schon bekannt. Trotzdem gab es jetzt kein Halten mehr. Wer nicht an die treibende „Isla Flotanda“ glaubte, der war ein Ketzer. Vor allem, nachdem der berühmte kanarische Historiker Don José de Nieray Clarijo anno 1759 einen Sichtungs-Bericht an den den amtierenden Bischof schickte und Zeugen wie den Pfarrer Don Antonio Manrique und 40 weitere Personen aufzählte.Die Beweise von Edgar Harvey
Noch nicht mal im aufgeklärten 19. Jahrhundert sank das San-Borondón-Fieber, zumal Abenteuergeschichten damals Hochkonjunktur feierten. Im Blick auf Carters Entdeckung des Tutench-Amun-Grabes oder Heinrich Schliemanns Suche nach Troja wollte auch der britische Naturforscher Edward Harvey ein bisschen Karriere machen. Als er von der aufmüpfigen Insel San Borondón hörte, steuerte er am 14. Januar 1865 von Teneriffa aus die bekannten Koordinaten an. Und guggsch Du: Als Harvey zurückkehrte, hatte er ein Tagebuch voller Beschreibungen und Zeichnungen sowie Fotos der magischen Insel im Gepäck. Etwa eine Grafik des „schnellen Vogels“ , des eidechsenähnlichen „Draco Telli“ oder des Flugsauriermutanten „Regina Raptoris“. Doch weder die detaillierten Zeichnungen, noch die schönen lateinischen Namen beeindruckten die Forscherkollegen Harveys von der Londoner „Royal Society“. Sie erklärten ihn kurzerhand für verrückt. Edgar Harvey war einfach im falschen Jahrhundert geboren. Hätte er 150 Jahre später gelebt, wäre er wahrscheinlich Steven Spielbergs Phantasy-Berater geworden...Realistisches und Phantastisches
Im Gegensatz zu Edward Harvey haben die Realisten von heute so gar nichts für Phantominseln übrig. Sie interessiert auch nicht, dass San Borondón 40 Meilen lang und 25 Meilen breit ist. Oder dass es im Rathaus von Los Llanos auf der Westseite von La Palma schon eine Ausstellung zu Ehren der „Isla Mágica“ gab – sogar mit einem detaillierten, maßstabgetreuen Inselmodell! Logiker versuchen das Phänomen durch Spiegelungen anderer Inseln, durch vulkanische Aktivitäten oder dadurch zu erklären, dass San Borondón über einem 6.000 Meter tiefen „Loch“ im Atlantik auf- und abtaucht. Darüber hinaus gibt es Theorien von „außerirdischen Aktivitäten“. Vielleicht sind aber einfach die Phantasie-anregenden Wolkenformationen, die die Kanareninsel La Palma am Horizont oft ringförmig einrahmen, „schuld“ an der Legende von San Borondón. Denn alte Logbücher erzählen, dass „am späten Nachmittag La Palma gesichtet wurde“ – angekommen sei das Schiff aber erst „am späten Abend des nächsten Tages“.San Borondón - wahr oder gelogen?
Der geneigte Leser mache sich selbst ein Bild, indem er in der kürzesten Nacht des Jahres – der „Noche de San Juan“ – von La Palma aus nach Westen schaut. Der Legende zufolge sieht man in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni „die Kontur der magischen Insel am Horizont!“ Vor allem bei Sonnenuntergang und in der Morgendämmerung... schaun mer mal!Von La Palma 24
You have shed a ray of sunhsnie into the forum. Thanks!
Ich mag die Geschichte.
Noch nicht gesehen…
Im Buch “Steine der Macht” Band Nr. 3 wird diese Insel im Zusammenhang mit den Zeitschleusen genannt. Der Autor Stan Wolf beschreibt die Eindrücke die er beim Anblick dieser Insel hatte. Er befaßt sich mit den Zeitphänomänen und für ihm war diese nichts Fremdes.
Das ist eine wunderbare magische Geschichte.Ein Gegenstück zu Avalon. Es ist aber kein Wunder, wenn man Wolkenformationen auf dem Meer von La Palma aus gesehen für eine Insel hält, denn La Gomera und La Palma sind ja auch oft in ein Wolkenmeer getaucht. Wer dann etwas ähnliches in der Nähe sieht, kann schon mal getäuscht werden wie bei einer Fata Morgana.
Natürlich gibt es “San-Borondón”. Wenn Du oft auf diesen herrlichen Inseln warst, über viele Jahre und hauptsächlich außerhalb der stark touristischen Zeit, dann bleibt diese Insel in Deinem Kopf, in Deinen Träumen und in Deinem Herzen. Wenn Du dann lange nicht hin konntest, dann schubst sie Dich 24 Stunden am Tag an.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in meinem Roman “Die Welt der Illusionisten” spielt eine längere Szene auf San Borondon. Damit ist doch klar, dass es diese Insel gibt! Oder etwa nicht?
Mit lieben Grüßen
Eberhard Saage
Eine wunderbare Legende! …und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in diesen Sonnenuntergangs- und Sonnenaufgangsszenarien des Mittsommers das eine oder andere gemütliche Gläschen Wein noch das restliche Stück Realität dieser Insel hinzufügt. 😉