Der Alltag hat uns wieder. Das kommende Jahr 1979 geht so seinen Gang. Wir erinnern uns gerne an die Isla Bonita. Ich schreibe unserem neuen Freund Pedro eine Ansichtskarte aus unserer Region. Keine Antwort. Bei einer zweiten Karte dasselbe. Ich gebe auf. Das Jahr geht zu Ende und die Sommerbuchung 1980 muss bald folgen. Also Katalog auf, La Palma herausgesucht und Hotel „San Miguel“ gebucht. Mal sehen, ob Pedro noch im Hotel arbeitet. Ankunft auf Teneriffa, Los Rodeos. Hektische Betriebsamkeit im Terminal. Wir warten auf unseren Weiterflug. Nichts passiert, immer nur die Bitte: „Haben Sie noch etwas Geduld“:
Gegen 18 Uhr geht es hoch hinaus, mit dem Bus. Er bringt uns zum Hotel Las Aguilas, auf einem Hügel vor den Toren von Puerto de la Cruz gelegen. Wir werden gebeten, sehr früh aufzustehen, da wir die erste Maschine am kommenden Tag nach La Palma bekommen sollen. Nach Stunden im Terminal bringt uns gegen Mittag ein Flieger nach La Palma. Nach Ankunft die Frage des örtlichen Reiseleiters an uns: „Was war los? Jede Maschine nur halbvoll besetzt und ihr nicht dabei“. Des Rätsels Lösung: Die bevorstehende Bajada löste schon im Vorfeld ein Organisationschaos aus. Abgehakt.
Abends im Hotel. Wir sitzen im Speisesaal. Ein Kellner kommt auf uns zu. Es ist Pedro. Wir senken den Kopf und sind mit der Speisekarte schwer beschäftigt. Er hat uns noch nicht entdeckt.
Am Tisch angekommen sagt er fragend: „Bitte schön?“ Ich hebe den Kopf nach links oben. Er erschrickt. „Du hier? Komm, lass dich drücken“. Meine Frage: „Was macht das Wörterbuch?“, beantwortet er grinsend: „Habe ich noch!“ „Schon etwas gelernt?“ „El idioma alemán es muy dificil“.
Es folgt ein Redeschwall von Erklärungen, warum er auf meine Karten nicht geantwortet hat. Dann eine Überraschung.
„Tengo un Bolxbaggen“ Ich bin verblüfft und verstehe nichts. Er wiederholt: „Tengo un Bolxbaggen!“. Dabei zieht er einen VW-Schlüssel aus der Tasche. Wann immer wir ein Auto für uns benötigen, können wir auf seinen Käfer zurückgreifen. Praktisch für beide. Wir bekommen sein Auto mit fast leerem Tank und geben es mit mindestens dreiviertel vollem Tank wieder zurück. So kommen wir auf der Insel viel herum.
Zu Fuß machen wir uns auf, zur Playa Los Cancajos, genießen den Tag am Strand. Zurück über die vielen Treppenstufen des „Paseo del Varadero“ zur oberhalb liegenden Landstraße. Von hinten nähert sich ein Geländewagen. Ich wende den Kopf nach hinten und drehe ihn zurück. Das Fahrzeug bremst neben uns ab. „Wo wollt ihr hin?“, kommt es aus dem Auto. „Zum Hotel „San Miguel“. „Bueno, steigt ein“. Angekommen am Hotel, lade ich unseren Chauffeur auf ein Getränk an die Hotelbar ein. Plötzlich fragt mich der Palmero nach Arminia Bielefeld. Er erzählt, die deutsche Bundesliga interessiert ihn sehr.
Ein paar Tage später. Erika hat Geburtstag. Am Abend stecke ich unserem Pedro heimlich einige Pesetas zu, mit der Bitte, einen Strauß Blumen aus dem Blumengeschäft gegenüber zu besorgen.
Am Morgen zum Frühstück steht ein ordentlicher Strauß in einer Vase auf unserem Tisch im Speisesaal. Nicht weit entfernt tuscheln zwei deutsche Urlauberinnen und rätseln.
Mit einer der Beiden kommt es Tags darauf zu einem Kontakt. Wir berichten ihr von unserem Anhalterglück auf dem Rückweg vom Cancajos-Strand und erfahren von ihr, dass sie den Palmero gut kennt.
Sie erzählt uns, sie sei von ihm heute Abend in den Club Náutico in der Calle Pérez de Brito eingeladen. Wir sollten sie einfach begleiten. Nach dem Abendessen machen wir uns auf den Weg. Wir steigen die Treppe hoch. Meine beiden Damen werden durchgewunken. Ich darf nicht hinein. Ich trage Sandalen, zwar sauber geputzt, aber eben Sandalen. Andere Herrschaften mit staubigen, aber festen Schuhen dürfen hinein. So bleibt uns nur die Lösung, den palmerischen Bekannten unserer Begleitung herauszubitten. Er ist Vorstandsmitglied und verabschiedet sich von seinen Klubmitgliedern. Er müsse sich nun um seine Gäste außerhalb des Gebäudes kümmern, ich dürfe ja nun nicht hinein. So verbringen wir noch einen gemütlichen Abend in einer Bar. Wir erfahren viel und so gut es geht, übersetze ich.
Sonntag, 29. Juni. Es geht hoch her. Die Semana chica, die kleine Woche. Der Beginn der großen Feierlichkeiten zur Ehre der „Nuestra Señora de las Nieves“.
Das Fest findet nur alle fünf Jahre statt. In diesem Jahr besonders. 300 Jahre „Bajada“.
In einer feierlichen Prozession tragen die Teilnehmer den Silberthron der Schutzheiligen durch die Stadt zur Kirche El Salvador.
Nach Einbruch der Dunkelheit gibt es kein Halten mehr in der Fußgängerzone. Ein Stand neben dem anderen.
Alle großen Firmen beteiligen sich am Gratisausschank aller möglichen Getränke. Zu viert probieren auch wir. Vorsorglich behalten wir unsere Plastikbecher, denn es dauert nicht all zu lange, bis es keine mehr gibt. So wird dann statt eines Becher Weins gleich eine ganze Flasche über den Tresen gereicht. Stunden später schweben wir zum Hotel zurück.
Ein paar Tage später treffen wir auf Servando, den Eigentümer des kleinen Restaurants vom Cancajos-Strand. Er ist auch anerkannter Naturführer im Nationalpark „Caldera de Taburiente“.
Denn nur so dürfen Touristen im Nationalpark übernachten, wird uns erklärt. Wir buchen zwei Tage mit einer Übernachtung im Nationalpark.
Mit einem von Cervando angemieteten Land Rover geht es zur Markthalle nach Los Llanos. Vollbeladen mit Fleisch, Gemüse und Getränken auf dem Dach und sieben Gästen im Fahrzeug holpern wir auf Schotter- und Lehmpiste nach Los Brecitos hinauf.
Oben angekommen schultern Cervando und sein Helfer Manolo die Waren und schleppen sie etwa 1,5km weit zum Übernachtungspunkt. Hilfe beim Tragen lehnen sie ab. Wir seien ja schließlich Gäste. Eine längere Wanderung zu einem entfernten Wasserfall folgt. Nach der Rückkehr zaubert Servando eine himmlische Paella, begleitet von lebensverlängerndem Fruchtsaft (Vino tinto). Die Nacht verbringen wir in einer Scheune auf Stroh. Mücken summen uns in den Schlaf.
Mittwoch, zwei Tage vor der Rückreise. Wir planen für morgen noch ein Treffen mit Palmeros. Wir kommen spätnachmittags zum Hotel zurück. Im Schlüsselfach eine Nachricht vom Reiseleiter.
Wir müssten morgen, am Donnerstag, um 6 Uhr in aller Frühe abreisen, da es am Freitag keinen Flug für uns nach Teneriffa mehr geben würde.
Wir sprechen mit einem Ehepaar, das auch am Freitag nach Hannover fliegen muss. Sie haben nichts erhalten. Die Küche stellt uns zwei Sandwichs und eine Thermosflasche mit Kaffee aufs Zimmer.
Ein Taxi bringt uns zum Flughafen. Mit einigen wenigen Passagieren fliegen wir nach Los Rodeos. Hier das gleiche Spielchen wie auf dem Hinflug. Ein Bus bringt uns in das Hotel La Aguilas zur Übernachtung. Freitag der Rückflug nach Deutschland, wie geplant. Von dem Ehepaar erfahren wir, der La Palma-Flieger mit den beiden an Bord war nur zur Hälfte besetzt. Es folgt ein Papierkrieg mit Neckermann wegen zweier, verlorener Urlaubstage. Neckermann überweist nur einen Bruchteil unserer Forderung mit der Begründung, man müsse den Preis des Flugtickets vom Reisepreis abziehen. Außerdem seien sie sehr großzügig gewesen. Es kommt zum Prozess. Neckermann verliert auf der ganzen Linie und ändert die AGBs im Katalog.
(Fortsetzung folgt)
Gastbeitrag von Helmut Schilling
Ein sehr schöner Beitrag
Man wünscht sich direkt man hätte diese Zeit dort miterleben dürfen.
Ich freue mich bereits auf den dritten Teil 🙂