Die auf La Palma gewachsene Idee, mit Weltumseglern wichtige Ozeandaten zu sammeln, findet immer mehr Anhänger. So wird das von der spanischen Umweltgruppe Ambiente Europeo entwickelte mobile Testlabor SeaLabs in diesem Winter eine neue Kooperation auf der Insel eingehen.
La Palma Ocean Explorer aus Tazacorte, die seit 2009 an der Westküste mit zwei Booten vor der Insel Touren für Walbeobachtungen anbietet, wollen ab November SeaLabs in ihr lokales Ausflugsprogramm integrieren.
Das Team der Meeresbiologen an Bord des beliebten ehemaligen Nordsee-Fischkutters Bussard wird mithilfe der mobilen Testlabore wichtige Parameter messen, um mehr Einblicke in das Habitat der Meeressäuger zu gewinnen. Gleichzeitig wird die SeaLabs-Datenbank mit neuen Testergebnissen gefüttert.
Meeresbiologen vom Ocean Explorer Tazacorte nehmen SeaLabs an Bord
Die Idee, touristischen Ausflügen eine wissenschaftliche Komponente hinzuzufügen, entstand im Austausch zwischen dem Team der Meeresbiologen von Ocean Explorer, insbesondere Biologin Saskia Schmöle, und den beiden Unternehmensleitern Nicole und Jörg Sturm.
“Auf der Bussard haben wir es uns zum Ziel gesetzt, unseren Gästen nicht nur unvergessliche Erlebnisse auf See zu bieten, sondern sie auch in wichtige maritime Forschungsprojekte einzubinden”, sagt Eigentümer Jörg Sturm. Das Konzept erlaube es Gästen künftig, an Bord aktiv an der Forschung teilzunehmen - sei es durch die Entnahme von Wasserproben oder die Untersuchung des Plastikmülls im Meer.
“Wir legen großen Wert darauf, dass diese Aktivitäten nahtlos in unsere beliebten Ausflüge integriert werden”, betont Nicole Sturm. So könnten sich die Gäste wie gewohnt entspannen und gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz der Meere leisten.
Eine erste Testfahrt mit einem SeaLabs-Kit im September diente zur Einweisung der Crew der Bussard und der Entnahme einer Wasserprobe zum Kennenlernen des Sensors.
Etwa 3,5 km lang führte die Fahrt unterhalb der Steilküste von Tijarafe entlang zur Playa de la Veta und zurück zum Leuchtturm von Bombilla, wo sich die neue Lavazunge des Vulkans Tajogaite ins Meer ergossen hat.
Es wurden Testzeiten gemessen, Wassertiefe berechnet und die richtige Geschwindigkeit für die Probenentnahme austariert.
Ocean Explorer erhebt bereits seit einigen Jahren Sichtungsdaten für Wale und Delfine für die Organisation Asociación Tonina aus Teneriffa.
So werden regelmäßig Meldedaten und Fotos von den häufig vor Tazacorte kreuzenden Pilotwalen (Globicephala macrorhynchus), auch Kurzflossen- Grindwale genannt, an die kanarische Organisation gesendet.
Das Team der Bussard verfügt zudem über Sonare, um die akustische Unterwasserwelt zu erforschen und Kommunikationssignale der Wale zu orten.
Diese Erhebungen lassen sich jetzt mit einem besseren Einblick in die Wasserqualität dank der benutzerfreundlichen SeaLabs ergänzen.
"Wir erhoffen uns vom Sealabs-Labor auch Einsichten in bestimmte Verhaltensweisen oder Vorlieben der Meeresbewohner, die wir uns bisher nicht erklären können", sagt Biologin Saskia Schmöle, die das SeaLabs-Projekt auf der Bussard leiten wird und die Daten auch durch weiterführende wissenschaftliche Studien nutzen möchte.
SeaLabs ist ein Open-Source-Projekt, bei dem Daten der Wissenschaft und Öffentlichkeit gratis zur Verfügung stehen.
Ein bürgernahes Projekt, an dem nicht nur Segler, sondern nun auch Touristen teilnehmen können. Gemessen werden mit dem SeaLabs-Sensor sieben Parameter, die im Zusammenspiel den Lebensraum Meer besser erklären helfen.
Mit den SeaLabs bis nach London
Immer mehr füllt sich die Datenbank mit Einträgen freiwilliger Teilnehmer aus anderen Orten der Welt. So waren in diesem Sommer die SeaLabs-Labore auch erstmals im Mittelmeer und auf der Themse unterwegs. Bei der jährlich im Spätsommer in der Adria startenden Friedensflotte Mirno More fuhren gleich zwei SeaLabs mit. Video ansehen: Hier klicken
Aus einer Freundschaft unter Seglerteams im Hafen von Tazacorte hat sich eine weitere spannende Kooperation mit der Organisation Living Ocean Society entwickelt.
Die in Österreich aktive Umweltgruppe hatte im Winter diesen Jahres ein eigenes Projekt "SeaLabs - Leinen los" in der Segelcommunity gestartet und in der Alpenrepublik großes Interesse für die Meeresdatensammlung im deutschsprachigen Raum geweckt.
Mehr als 40 SeglerInnen in 16 Crews haben daraufhin in fünf verschiedenen Meeresregionen nahezu 200 Messungen durchgeführt.
"All diese Segler wollen bei der Erforschung der Meeresökosysteme einen Beitrag leisten,“ freut sich Projektleiterin Mirjam Teicht, die den ganzen Sommer über Crews im Umgang mit den Sensoren geschult hat. Auf einem knapp 13 m langen Charterboot (Sun Odyssee 410), das bis nach London segelte, wurden Wasserdaten in einer Art Staffellauf erhoben.
„Um die Anzahl der Messungen zu erhöhen, wurden die SeaLabs nach jedem Törn an eine neue Crew weitergegeben und blieben an Bord. Damit wurden die Forschungskits optimal genutzt und es gab keinen Leerlauf“ erläutert Mirjam Teicht.
ARC Rally - Im November gehen wieder SeaLabs über den Atlantik
Ambiente Europeo wird im November bei der ARC 2024/25 - dem wohl größten und bekanntesten Segelrennen über den Atlantik - in Las Palmas de Gran Canaria neue SeaLabs- Sensoren an Boote verteilen und Schulungen machen. Die ARC-Organisatoren haben nun auch Bildungsmaterial für Seglerfamilien entwickelt, die von Las Palmas in See stechen. Viele Eltern unterrichten ihre Kinder auf mehrmonatigen Reisen und suchen nach geeignetem Material, um die Kinder zu motivieren und in Naturwissenschaften zu unterrichten.
SeaLabs-Parameter werden in leichter Sprache in Broschüren erklärt - eine Arbeit, die Mirjam Teicht von Living Ocean zum Projekt beigesteuert hat.
So werden Fragen gestellt wie: Warum fühlen sich Korallen und Plankton in saurer Wasserumgebung unwohl? Wie wirken Temperaturen auf die Verfügbarkeit von Nahrung in bestimmten Futtergebieten?
"Wir wollen die trockenen Daten nicht abstrakt halten, sondern SeaLabs-Forschern auch Einblicke in das chemische und physikalische Zusammenspiel des Meerwassers geben, denn letztlich ist dies auch ein Bildungsprojekt", sagt Luise Wagner.
Erkenntnisse aus den SeaLabs-Tests der Ozeanüberquerer auf hoher See könnten auch für die Beobachter der Meeressäuger vor Tazacorte interessant sein. Messungen von Salzgehalten geben wichtige Hinweise auf die Entstehung und Bewegung von Meeresströmungen.
SeaLabs - ein Open-Source-Projekt
Wenn die bislang gesammelten Messergebnisse in der SeaLabs-Datenbank veröffentlicht werden, können die einzelnen Boote angeklickt und ihre Messdaten mit Ort der Probenentnahme und Datum direkt angezeigt werden.
"Diese Transparenz der Daten ist nicht nur für Nutzer, sondern auch für die freiwilligen Teilnehmer wichtig, um das Ergebnis ihrer eigenen Arbeit nachzuvollziehen", sagt Living Ocean- Aktivistin Mirjam Teicht.
"Ich bin absolut glücklich, wie sehr das Projekt angenommen wird und dass es uns immer wieder gelingt, Freiwillige zusammenzubringen, die uns mit ihren Talenten und Booten unterstützen", sagt Luise Wagner von Ambiente Europeo.
Es gehe hier nicht um blinde Sammelwut, sondern darum, dass sich Menschen für etwas gemeinsam begeistern, etwas Neues lernen, dieses Wissen miteinander teilen und anderen zur Verfügung stellen wollen. “Das hat eine enorm positive Wirkung auf alle, die beteiligt sind”.
Wenn nun in diesem Winter noch wöchentlich Inselbesucher an Bord der Bussard bei Ocean Explorer helfen, regelmäßig Meeresproben zu entnehmen und an dem globalen Projekt teilnehmen, wird die SeaLabs-Familie immer größer.
Über Ambiente Europeo
Spanische Umweltorganisation mit schwimmendem Büro auf La Palma (Segelboot). Organisiert Strandsäuberungen im großen Stil, betreibt die spanische Mülldatenbank von Ocean Conservancy, begleitet und entwirft Bildungsprojekte und mediale Kampagnen. 2022 wurde auf La Palma das SeaLabs-Projekt entwickelt.
Wer als Volontär die Organisation unterstützen möchte, bitte E-Mail schreiben. Gesucht werden Social Media-Experten, Fundraising-Spezialisten, Strandputzaktivisten mit Englisch- und Spanischkenntnissen auf den Kanareninseln.
E-Mail: info@ambienteeuropeo.org